Liebe Mitstreiter,
wir wollen eine Partei der Vernunft, des Anstands und der Toleranz sein. Was meine Aussage betrifft, wir hätten einige “Unvernünftige, Unanständige und Intolerante” in unseren Reihen, so stehe ich dazu. Ich halte es auch für besser, hier den Medien gegenüber die Wahrheit zu sagen, als so zu tun, als gäbe es diese Personen bei uns gar nicht. Wie wir in den letzten Monaten erfahren haben, gibt es solche Leute in den Altparteien sogar an der Spitze, z.B. solche Ehrabschneider wie Fahimi, Schäuble, Kramp-Karrenbauer & Co. – wir können über uns zumindest sagen, dass solche Personen bei uns keine Spitzenpositionen einnehmen oder eingenommen haben. Auch andere Vertreter der politischen Konkurrenz versuchen, unterstützt
von den Medien, die AfD dadurch zu diskreditieren, dass sie die wenigen, die es von diesen Personen bei uns gab und noch gibt, als typische Repräsentanten unserer Partei darstellen.
Meine Aussage bezog sich also auf die wenigen aber oft sehr lauten Karrieristen, Rechtspopulisten und Querulanten in unserer Partei, jedoch nicht auf Parteimitglieder, die in unseren Diskussionen über Russlandsanktionen oder TTIP möglicherweise andere Positionen als ich selbst eingenommen haben. Unsere Diskussionen verlaufen oft sehr emotional, die Gründe dafür liegen nach meiner Überzeugung in mangelnder Aufklärung, in teilweise berechtigter Kritik (NSA, Guantanamo, Irak usw.) und teilweise grotesken Vorurteilen gegenüber den USA, aber auch in ganz persönlichen Sozialisationserfahrungen. So habe ich in meinen vielen Auftritten in Ostdeutschland in den Einstellungen einiger Zuhörer immer noch den starken Einfluss der 40-jährigen Indoktrination gefunden (Russland = friedlich, NATO = Krieg). Auch traf ich immer mal wieder auf Vorbehalte gegen die Globalisierung und gegen die Marktwirtschaft, aber auch auf abenteuerliche Verschwörungstheorien.
Was TTIP betrifft, so habe mich bisher geweigert, es zu unterstützen, weil ich es gar nicht kenne. Wie kann man dann dagegen sein, obwohl man es nicht kennt? Genau deshalb haben wir ja in unserem Programm eine Beschlussfassung zum TTIP (aber doch nicht das TTIP selbst) abgelehnt! Ich sehe meine Aufgabe darin aufzuklären, anstatt nur zuzusehen, wie ganz linke und ganz rechte (inzwischen leider auch innerparteiliche) Ideologen unsere Mitglieder mit dauernden Fehlinformationen zum Freihandel, zur Globalisierung und zu TTIP in eine mentale Sackgasse locken.
Im Unterschied zum Bundeskabinett haben wir Mitglieder, die etwas von der Materie verstehen! Wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich zum Zahnarzt und nicht zum Bäcker. Hören wir beim Thema TTIP also mal auf unsere Fachleute, z.B. die Professoren Kruse, Lucke, Starbatty und Vaubel! Auffällig ist jedenfalls, dass meist diejenigen das große Anti-TTIP-Wort schwingen, die wenig offizielle Expertise zum Thema haben.
Deutsche Arbeitnehmer, Mittelständler, Konsumenten und Rentner sind mehr als andere vom funktionierenden deutschen Export, also vom Freihandel, abhängig. Die unselige Europolitik sorgt nun dafür, dass der europäische Binnenmarkt in seiner Bedeutung dramatisch schrumpft und dadurch unseren Wohlstand gefährdet. Bei uns hängt jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab. In den USA ist es nur jeder zehnte! Allein deshalb müssen wir ein großes Interesse daran haben, dass es einen Ausgleich für den durch die Europolitik gebeutelten europäischen Binnenmarkt gibt. Zu DM-Zeiten ging noch fast die Hälfte unserer Exporte in die Eurozone, letztes Jahr waren es 34%! Wollen wir langsam mit der Eurozone untergehen? Lassen wir uns deshalb nicht davon ablenken, dass wir die Europolitik ändern und nicht etwa den Freihandel behindern müssen. Das wäre der langsame Marsch von einem Industrieland zurück in einen Agrarstaat. Es war unsere Kritik an der Europolitik, die den unmittelbaren Anstoß zur Parteigründung gab und die uns in den Augen der Wähler die Kompetenz verlieh, die sie woanders vermissten. Wollen wir dieses Vertrauen in unsere wirtschaftsbezogene Kompetenz jetzt durch das Vertreten einfältiger wirtschaftspolitischer Positionen verspielen?
Dass nicht alles, was da so im TTIP vermutet wird, in Ordnung ist, haben wir mehrfach diskutiert und unsere Positionen dazu erklärt. Erst waren es die Chlorhühnchen, dann die mangelnde Transparenz und schließlich die Schiedsgerichte. Jetzt liegt ein sicher noch nicht vollständiges Verhandlungsergebnis auf dem Tisch. Mit diesem neuen Stand sollten wir uns aktuell befassen und nicht mit alten Vorurteilen. Und was die Schiedsgerichte betrifft, so sollten wir auch auf unsere Juristen hören. Ich bin sicher, die sehen diese ähnlich kritisch wie ich. Ggf. sollten wir gegen die Aushöhlung unserer nationalen Rechtssouveränität durch die Schiedsgerichte vorgehen, aber dabei doch nicht das Kind mit Bade ausschütten. Wenn sich selbst der DGB (im Gegensatz zu den U.S.-Gewerkschaften) inzwischen für ein TTIP „unter gewissen Bedingungen“ ausspricht, müssten auch unsere Kritiker des TTIP ihre Position hinterfragen.
Wir sollten bei aller berechtigten Kritik gegenüber einigen Aspekten der U.S.-Politik auch den – von einigen unter uns gern geschürten – Antiamerikanismus durch Aufklärung bekämpfen, anstatt ihn direkt oder indirekt über den Umweg von „TTIP“ noch zu befeuern.
Wir haben diese Partei gegründet und unterstützt, um uns von den anderen Parteien u.a. durch die Anwendung von Vernunft zu unterscheiden. Machen wir bitte weiter so!
Ich habe meine letzten Wahlkampfauftritte unter das Motto: „Vernunft, Anstand und Toleranz“ gestellt und damit immer großen Anklang bei unseren Mitgliedern und Sympathisanten gefunden. Sorgen Sie dafür, dass wir uns alle zu „Vernunft, Anstand und Toleranz“ bekennen. Darüber werde ich auch am 7. November um 19 Uhr im “Leeren Beutel” in Regensburg und am 14. November um 19 Uhr im Haus der Patriotischen Gesellschaft an der Trostbrücke 6 in Hamburg reden. Sie sind herzlich dazu eingeladen!
Viele Grüße
Ihr Hans-Olaf Henkel
Berlin, 27. Oktober 2014